„Remigration“ läuft schon!

Flugblatt Nr. 2/2024 April 2024

„Wir müssen endlich in großem Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“ (Olaf Scholz, 2023)

„Remigration“ läuft schon!

Im Januar und Februar 2024 gab es in nicht nur in großen Städten, sondern auch in kleineren Ortschaften und auf dem Land über 1.000 Demonstrationen mit über 3 Millionen Beteiligten gegen ein aufgedecktes „Geheimtreffen“ von AfD, Identitären und anderen Nazis bis hin zu CDU-Politikern. Dort ging es um einen nazistischen „Masterplan“ für die millionenfache Abschiebung und Vertreibung von Menschen aus Deutschland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten, die nicht als „deutsch“ angesehen werden, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht. Die Proteste gegen diese von den Nazis als „Remigration“ bezeichneten mörderischen Pläne waren und sind unbedingt berechtigt und nötig. Doch diese Proteste wurden weitgehend ad absurdum geführt durch die Teilnahme von führenden Politikern des deutschen Staates wie Scholz und Baerbock. Diese haben nämlich mit dem annähernd zeitgleich am 27. Februar 2024 verabschiedeten „Rückführungsverbesserungsgesetz“ eine weitere Offensive der sowieso schon menschenfeindlichen deutschen Abschiebungs-, Vertreibungspolitik und Abschottungspolitik gestartet. Das „Lob“ von Scholz, Baerbock, Faeser und anderen für die Proteste gegen die Nazi-Pläne der „Remigration“ ist nichts als Heuchelei und ein Ablenkungsmanöver von der real betriebenen staatlichen Abschiebungs- und Vertreibungspolitik. Echte Solidarität mit Migrant*innen und Refugees kann es nicht geben, ohne diese Heuchelei zu entlarven.

Das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ und weitere Maßnahmen 2023/24 zur Verschärfung des Abschiebungs- und Vertreibungsterrors

Bereits die im Februar 2023 von der Innenministerkonferenz beschlossenen Maßnahmen bedeuteten und bedeuten eine massive Verschärfung des Abschiebesystems:

– In einem EU-Staat abgelehnte Asylsuchende sollen in keinem anderen EU-Land mehr eine Chance haben.

– Mit Milliarden für Stacheldraht und Mauern um die „Festung Europa“ soll noch mehr dafür gesorgt werden, dass vor Elend, Hunger und Unterdrückung Flüchtende keine Chance haben. Zwischen 2014 und 2023 wurden ca. 30.000 Menschen auf ihrer Flucht über das Mittelmeer durch diese gewaltsame „Flüchtlingsabwehr“ faktisch ermordet. Mit der Verschärfung der „Schiffssicherheitsverordnung“ wurde und wird die humanitäre Seenotrettung weitgehend kriminalisiert.

Geflüchtete werden an den EU-Außengrenzen in Lagern, die von Stacheldraht umgeben sind, wie in Kos oder Lesbos, unter menschenunwürdigen Bedingungen und ohne Perspektive zusammengepfercht.

– Abhängige Länder werden mit Einsatz „aller einschlägigen Strategien, Instrumente und Werkzeuge“ gefügig gemacht, z. B. durch „restriktive Visamaßnahmen“ oder Entzug des zollfreien Handels, um mit ihnen „Rückführungsabkommen“ abzuschließen. Engste Zusammenarbeit gibt es schon seit Jahren mit dem Folter-Regime in Libyen. Mit Abermillionen wird die „Küstenwache“ Libyens ausgerüstet. Es gibt Treffen der Bundespolizei mit Vertretern der libyschen „Küstenwache“ und Seepolizei, damit diese möglichst effektiv Boote von Geflüchteten verfolgen und nach Libyen zurückbringen. In staatlichen Haftlagern sind dort Morde, Verschwindenlassen, Versklavung, Folter und Vergewaltigungen Realität für Abertausende von Geflüchteten.

„Remigration“ läuft schon: 2022 wurden ca. 13.000 Menschen abgeschoben, 2023 über 16.000 (2008 bis 2023 insgesamt annähernd 230.000). Doch das ist den Herrschen-den und ihrem Staat offenbar noch viel zu wenig. Denn nun gehe es darum, so Scholz, dass „endlich in großem Stil“ alle diejenigen abgeschoben werden, “die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben“.

Und dazu soll ja gerade auch das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ dienen. Vor Verabschiedung des Gesetzes pries die Abschiebeministerin Faeser dieses als „ein umfassendes Rückführungspaket“ an, das – so wörtlich – „ein Bündel restriktiver Maßnahmen vorsieht“ (bmi.bund.de). Dazu gehören u. a.:

– Verlängerung der Höchstdauer des „Ausreisegewahrsams“ von 10 auf 28 Tage;

– Ausweisung von behaupteten „Mitgliedern krimineller Vereinigungen“ auch „unabhängig von einer individuellen strafgerichtlichen Verurteilung“;

Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sind jetzt eigenständiger Grund für Abschiebehaft;

– Eine Abschiebung wird bei „Ausreisepflichtigen“ in Haft nicht mehr angekündigt. Ebenso wird die einmonatige Ankündigungspflicht für Abschiebungen gestrichen, denen eine mindestens einjährige „Duldung“ vorausging;

– Persönlichkeitsrechte werden weiter eingeschränkt: Die Durchsuchung von Wohnungen nach Datenträgern und Unterlagen und das Betreten weiterer Räume in Gemeinschaftsunterkünften werden legalisiert.

Die unwürdigen tagtäglichen Lebensbedingungen Geflüchteter werden sukzessive verschlechtert. Dazu gehört auch die Einführung der sog. „Bezahlkarte“, welche die Persönlichkeitsrechte weiter beschneidet und ein perfides Überwachungs- und Kontrollinstrument ist. Damit wird Geflüchteten die freie Verfügung über das wenige gewährte Geld weitgehend genommen. Die Einführung der Bezahlkarte wurde von der verlogenen Hetze begleitet, dass Geflüchtete ausbezahltes Bargeld an ihre Familien in ihren Herkunftsländern schicken würden. Dabei liegen die Leistungen, die Geflüchtete erhalten, unterhalb des gesetzlich definierten Existenzminimums. Ja, und wenn Geflüchtete von dem kläglich wenigen etwas an Menschen in noch größerer Not schicken würden?

Ein äußerst diskriminierender und ausbeuterischer Vorstoß ist es auch, Geflüchtete für 80 Cent pro Stunde arbeiten zu lassen. Das wird an verschiedenen Orten schon durchgeführt. Da die Tätigkeiten der Geflüchteten am Tag nicht länger als vier Stunden dauern dürfen, müssen diese fast vier Tage arbeiten, um auf den Betrag für eine Stunde des derzeitigen Mindeststundenlohns von 12,41 Euro pro Stunde zu kommen.

Das Schlagwort vom „Migrationshintergrund“ – Die Hetze und Drohung mit dem deutschen Nationalismus

Ein wichtiger Mobilisierungsfaktor bei den Demonstrationen Anfang des Jahres 2024 war die Ankündigung der Nazis, an die Schalthebel der Macht gelangt würden sie nicht nur „Ausländer“ im Sinne von Menschen ohne deutschen Pass vertreiben, sondern weitgehend alle, denen sich eine migrantische Herkunft nachweisen ließe. Das ist in der Tat ein erklärtes Nazi-Programm. Darum ging es übrigens nicht erst und nicht nur beim „Geheimtreffen“ im November 2024 in Potsdam. Dieses wurde von der AfD schon vorher ziemlich offen verkündet und wird weiter propagiert, übrigens ganz „legal“ und ohne Konsequenzen für sie.

Bei vielen der im Januar/Februar Demonstrierenden richtete sich der Protest also dagegen, dass der Nazi-„Masterplan“ mit seinen Abschiebungsplänen erklärtermaßen nicht an der Grenze der Staatsbürgerschaft Halt macht. Dabei wurde bestenfalls nicht überlegt, ob die ganze Abschiebungspolitik denn rechtens wäre, solange sich „korrekt“ durchgeführte Abschiebungen nur gegen Menschen ohne deutschen Pass richten und nicht gegen Leute mit deutschem Pass.

Allerdings würde das Problem sowieso enorm unterschätzt, wenn es auf die AfD reduziert würde. Gerade dem gängigen und wie selbstverständlich verwendeten Schlagwort vom „Migrationshintergrund“ liegt deutscher Nationalismus zugrunde. Und damit wird deutschnationalistische Hetze in verschiedenen Abstufungen betrieben. Das fängt an mit der Frage: „Woher kommst du eigentlich?“ und geht über lapidare Meldungen von kriminalistischen Fällen „Der Täter hatte einen Migrationshintergrund“ bis hin zur Hetze, dass irgendetwas halt „mal wieder typisch für Leute mit Migrationshintergrund“ sei.

„Migrationshintergrund“ ist in Deutschland sogar ein Begriff der offiziellen Bevölkerungsstatistik. Tatsächlich hat diese bis 2005 nur zwischen „Deutschen“ und „Ausländern“ unterschieden, also anhand der Staatsbürgerschaft. Dann wurde als Kategorie „Migrationshintergrund“ eingeführt. Dies soll mit bis zu 37 Merkmalen definieren, ob die Eltern beide oder ein Teil migrantischer Herkunft seien, ob ein Mensch mit „Migrationshintergrund“ über „eigene Migrationserfahrungen“ verfüge oder nicht und anderes mehr.

Nach offizieller Statistik wird von den ca. 83 Mio. Gesamtbevölkerung in Deutschland ca.24 Mio. ein „Migrationshintergrund“ zugeordnet. Bezeichnend für die deutsch-nationalistische Art der Statistik ist: „Die Vertriebenen des Zweiten Weltkrieges und ihre Nachkommen gehören nicht zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund.“ (Stat. Bundesamt Mikrozensus – Bevölkerung mit Migrationshintergrund). Bei den „Vertriebenen“ geht es um Nazis, die am Ende des Zweiten Weltkriegs aus anderen Ländern geflohen sind sowie allgemein um die Umgesiedelten gemäß den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens von 1945 in Folge der Nazi-Aggression und Nazi-Verbrechen in diesen Ländern.

Die Kategorie „mit Migrationshintergrund“ bzw. „ohne Migrationshintergrund“ macht von vornherein schon den Raum auf für all die rechten, nationalistischen und Nazi-„Diskurse“ und Hetzereien, wer denn nun wirklich ins Deutsche „integriert“ ist oder nicht. Sie enthält von vornherein auch schon die fatale Schlussfolgerung: „Ja wenn das mit der Einbürgerung von Menschen mit Migrationshintergrund so wenig klappt, dann war und ist das halt ein Irrweg“.

In der Realität vermischt sich das alles in immer neuen deutschnationalistischen und rassistischen Kampagnen wie aktuell die Hetze, dass Menschen ohne deutschen Pass angeblich krimineller seien.

Deutscher Herrenstandpunkt: Die „für uns“ nützlichen Migrierenden integrieren, die anderen abschieben oder erst gar nicht hereinlassen

Nur scheinbar im Gegensatz zu den aktuell und in den letzten Jahren sukzessive verschärften Abschiebungs- und Schikanierungsmaßnahmen steht die etwa von Scholz verkündete Förderung der „Erwerbsmigration“. Deutschland müsse „ein gemeinsames Interesse daran haben, dass diejenigen, die wir für unsere Arbeitsmärkte brauchen, auch herkommen.“ – Ein wahrer deutscher „Herrenmenschenstandpunkt“! Nicht oder nicht mehr „nützliche“ Migrierende sollen dann wieder abgeschoben oder erst gar nicht hereingelassen werden.

Konsequent gegen die deutsche
Abschiebungs- und Abschottungspolitik
und den deutschen Nationalismus kämpfen!

Die Maßnahmen gegen Geflüchtete und Migrierende werden mit Sicherheit noch weiter verschärft. Das alles macht drastisch deutlich, wie nötig es ist, mehr denn je mit aller Energie und Konsequenz die Solidarität und den gemeinsamen Kampf mit allen von dieser inhumanen und mörderischen deutschen Politik Betroffenen zu verstärken! Gerade vor und am 1. Mai 2024 bekräftigen wir als Grundpositionen von uns:

l Im Betrieb und auf der Straße – überall den Vormarsch der Nazis bekämpfen!

l Gewerkschafter*innen und Antifa GEMEINSAM gegen Ausbeutung und Nazis, gegen Nationalismus, Rassismus und Judenfeindschaft!

l Gemeinsam gegen staatlichen Abschiebungs- und Vertreibungsterror kämpfen gemäß der Position von Karl Liebknecht:         

„Völlige Gleichstellung der Ausländer mit den Inländern auch in Bezug auf das Recht zum Aufenthalt im Inland. Fort mit dem Damoklesschwert der Ausweisung!“ (Karl Liebknecht 1907)     

Kampf gegen die mörderische deutsche Abschiebungs-, Vertreibungs- und Abschottungspolitik!


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